Es ist vielleicht wirklich an der Zeit, dass uns etwas gründlich durchschüttelt. Umweltverschmutzung, Überfischung der Meere, Raubbau an der Natur, Missachtung der Kreatur, Krieg, Egoismus, Betrug, Gewalt, Ungerechtigkeit, Hunger… Vor kurzer Zeit wurden wir um eine «kosmische Haaresbreite» von einem Asteroiden verfehlt. Deshalb sind wir noch immer hier und fühlen den Puls des Lebens. Seit einem Jahr geschieht aber etwas noch nie Dagewesenes. Eine unbekannte Kraft beförderte uns aus dem sicheren Hafen hinaus auf offene See, auf und ab in den trüben Wellen der Pandemie. Die Besatzung ist zerstritten, der Navigator betrunken. Auf einer Seite die «Gesundheitsapostel» und «Zeugen Coronas», auf der anderen die Verschwörungstheoretiker und «Träger von Alufolien-Hüten», und mittendrin diejenigen, die glauben, dass die Dinge schon von selbst wieder in Ordnung kommen werden – bisher ging es ja auch immer. Daneben die, die einen nahestehenden Menschen, den Job oder die Lehrstelle verloren und Trauer oder Frustration erleiden. Einige versuchen, die diversen Experten zu verstehen und sich daraus eine objektive Meinung zu bilden, scheitern aber am fehlenden Diskurs und der Medien-Monokultur. Die Wahrheit besteht aus einer Vielzahl unbekannter Faktoren und offener Fragen. Unter dem Strich bleibt die Angst – Angst vor Ansteckung, Krankheit, Tod, vor den Mitmenschen, Angst um Angehörige und um die eigene Existenz, vor Gewalt, Manipulation, Verlust der persönlichen Freiheit, vor politischen Fehlentscheidungen, einer Wirtschaftskrise – kurz: vor der Zukunft. Und die Angst eines jeden Einzelnen ist für ihn selbst die Schlimmste, die es gibt; diejenige der Anderen ist weniger tragisch, dafür bringt man nur noch wenig Mitgefühl und Verständnis auf. Und was wird passieren, falls auch die Betten in der Akutpsychiatrie knapp werden?

Anstatt zu resignieren, könnten wir uns mutig mit der Frage nach dem Wesentlichen im Leben auseinandersetzen. Wenn wir zum Beispiel unsere Aufmerksamkeit darauf richten, was durch Sprichworte wie «Wer ernten will, muss säen», «Wie innen, so auch aussen» oder «Von nichts kommt nichts» ausdrücken, können wir vorankommen. Beginnen wir doch damit, zwischenmenschliche Beziehungen, die in letzter Zeit arg leiden mussten, wieder in Ordnung zu bringen, Freundschaften zu reaktivieren, den Dialog zu suchen, Toleranz und Empathie für die Meinungen und Befürchtungen Anderer zu entwickeln, Liebe und Vertrauen zu pflegen! Lasst uns eine Tagesstruktur aufbauen, die ohne Zahlen und furchterregende Bilder auskommt. Dies könnte dabei helfen, aus Angst und Hilflosigkeit etwas Sinnvolleres entstehen zu lassen. Wir müssen nicht in die Höhle zurück, wenn wir danach streben, verantwortungsvoller zu sein.

An den Fähigkeiten der jungen und jüngsten Generationen ist der evolutionäre Fortschritt der Spezies erkennbar. Zum Beispiel Tara (8), vertieft in ihr Tablet. Ihr Onkel (30) fragt: «Spatz, was machst du?» – «Ich programmiere ein Spiel, das alte ist langweilig. Schau, es funktioniert schon!» Der Onkel, von Beruf Informatiker, beschäftigte sich erst in der Berufsschule mit Ähnlichem. Oder Lionel (3), mit dem Schnuller im Mund, nimmt das Handy der Mutter, aktiviert es, zeichnet den Sicherheitscode, öffnet die App und spielt vergnügt mit der virtuellen Katze. Marik (11) sagt, dass er von allen Schulfächern Geschichte am liebsten mag, weil er daran interessiert ist, was in Zukunft passieren wird. Filip (14) engagiert sich als Mediator auf dem Pausenplatz, denn ihm ist das friedliche Miteinander am wichtigsten. Der Unterschied zwischen uns Heutigen und den Zukünftigen wird dem Unterschied zwischen den Neandertalern und den modernen Menschen gleichen. In den nächsten Jahrzehnten wird es einen Wandel der Zivilisation geben, der grösser ist als derjenige zwischen 1900 und 1950 (Elektrizität, Industrialisierung) und revolutionärer als derjenige zwischen 1980 (Beginn der Digitalisierung, PCs) und heute (wo ein Smartphone mehrere Millionen mal mehr Rechenleistung und Speicherkapazität hat als der Computer, welcher 1969 der Besatzung von Apollo 11 bei der Mondlandung half).

Die Wirkung der Epigenetik ist bei den Kindern ethisch und technologisch deutlich zu erkennen. Was für eine Umwelt und welche Art von Gesellschaft wollen wir ihnen hinterlassen? Jeder von uns muss mit seinem eigenen Beispiel vorausgehen und seinen Einfluss mit Optimismus, Offenheit für Neues, Vernunft, Innovation, Wahrhaftigkeit und Mut ausüben, damit die Erde ein bewohnbarer Planet bleibt. Die Zukunft hat bereits begonnen, die uns jetzt so gut bekannte Welt wird bald völlig anders aussehen. Wir, die Gegenwärtigen, mit unserem Fokus auf bestimmte Werte und Prioritäten, verantworten das Leben und die Würde der Gesellschaft von Morgen. Der Frühling ist da, voller Energie für Erneuerung. Der Wind weht aus einer günstigen Richtung – ergreifen wir den Kompass und hissen die Segel, denn der Anker ist bereits eingeholt.

Text und Übersetzung: Sibila Knežević

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