Kristijan Ćurić, Senior Talent Acquisition Specialist bei Julius Bär, einer der bekanntesten Privatbanken der Schweiz, ist eigentlich unser Landsmann. Obwohl er in der Schweiz geboren wurde, sagt der 37-Jährige, dass es sein Herz nach Kroatien oder Herzegowina zieht und er sich in Zukunft als Rückkehrer sieht. Seine Eltern, die ursprünglich aus Tomislavgrad stammen, gaben ihm die Liebe zu allem Kroatischen mit. Mit seiner Partnerin, die aus Zaprešić kommt, verbringt er deshalb viel Freizeit im kroatischen Zagorje, in der Nähe von Tuđmans Geburtsort, und in der Herzegowina. Er begann seine Karriere als Unternehmensberater und wurde später Experte für die Talentsuche bei angesehenen Bankinstituten wie UBS und Julius Bär. Er teilt sein Wissen und seine Expertise mit den Lesern der Libra und hilft ihnen dabei, in der Schweiz Arbeit zu finden.

  • Was ist der erste und wichtigste Schritt bei der Stellensuche in der Schweiz?

Entscheidung und Fokus. Das Wichtigste ist, sich für eine Branche und den Beruf, den man ausüben möchte, zu entscheiden, für den man auch qualifiziert ist. Die Aufmerksamkeit in mehrere Richtungen zu streuen, mit der Einstellung «Gib, was du kannst», wird zu keinem positiven Ergebnis führen. Zum formellen Teil würde ich sagen, dass das Wichtigste ein guter Lebenslauf ist, dem alle Unterlagen wie Zeugnisse und Empfehlungsschreiben beigelegt werden müssen.

Der Lebenslauf soll an die Stelle und die Position, für die man sich bewirbt, angepasst sein. (lacht) In jedem Fall würde ich das Europass-Lebenslaufformat vermeiden, das noch immer oft in Bewerbungen auftaucht. Die relevanten Inhalte dürfen nicht fehlen, zudem soll der Lebenslauf auch gut aussehen. Rechtschreibfehler oder Schlampereien kommen nicht gut an.

Im Internet findet man unzählige Vorlagen. Sie enthalten einen Platz für ein Foto, persönliche Daten sowie einen umgekehrt chronologisch geordneten Berufs- und Bildungsweg. Kandidaten für IT-Jobs sollten beispielsweise die sog. Skill-Set-Matrix aufführen. Es ist ein schneller und einfacher Überblick über Fähigkeiten und Kenntnisse bezogen auf die Stelle, für die sich eine Person bewirbt. Der Lebenslauf soll die Frage beantworten, warum die Wahl auf Julius Bär gefallen ist. Daher empfehle ich, auf der Unternehmens-Website denjenigen Karrierebereich zu studieren, für den man sich interessiert. Es ist hingegen nicht notwendig, alle bisherigen Jobs detailliert aufzulisten. Denn je älter die Karrierepunkte sind, desto weniger Informationen werden darüber benötigt.

  • In der Europäischen Union (EU) ist die Angabe personenbezogener Daten in einer Stellenbewerbung illegal, in der Schweiz dagegen nicht.

Die Anforderungen hier sind anders als diejenigen in der EU oder den USA, sie sollten jedoch respektiert werden. In der Schweiz werden im Lebenslauf Geburtsdatum, Adresse, Zivil- und Familienstand, Nationalität und Aufenthaltsstatus sowie ein Foto erwartet. Viele Kandidaten aus angelsächsischen Ländern oder der EU machen diese Angaben nicht. Dies bedeutet aber nicht, dass solche Bewerbungen sofort abgelehnt werden. Nach diesen Informationen wird während des Bewerbungsverfahrens nachgefragt, natürlich unter Einhaltung der Datenschutz-Vorschriften.

Wenn jedoch die Nachfrage nach einer Position hoch ist, warum sollte man es dem Personalvermittler nicht einfacher machen? Diese Angaben sind keine Gründe für eine Disqualifikation oder Diskriminierung. Die Angabe der Nationalität erleichtert beispielsweise die Beantragung eines Visums oder die Sicherstellung einer möglichen Umzugshilfe etc.

  • Ist das Verfassen eines Motivationsschreibens notwendig?

Das hängt von der Stelle ab, für die man sich bewirbt. Wenn es um IT-Stellen geht, schicken Kandidaten oft keines mit. In der letzten Zeit ermutigen wir unsere Kandidaten dazu, einen Kurzfilm über sich selbst zu drehen, in dem auch erwähnt werden soll, weshalb sie gerade Julius Bär wählen.

Entscheidet sich jemand dazu, ein Motivationsschreiben zu verfassen, muss es in der gleichen Sprache geschrieben sein, in der auch die Stellenanzeige veröffentlicht wurde. Wenn die Anzeige in Englisch verfasst ist und dennoch jemand versucht, einen Brief auf Deutsch zu schreiben, sei es auch mit Mängeln, kommt das besser an. Der Kandidat zeigt damit dem Arbeitgeber, dass die Kommunikation einfacher wird, und der Integrationswunsch wird deutlich. Auch das Kennenlernen des Unternehmens, in dem der Kandidat arbeiten möchte, ist äusserst wichtig. Das Interesse dafür lässt sich leicht in einem Motivationsschreiben bekunden.

  • Wie sieht ein Vorstellungsgespräch aus?

Wir freuen uns über motivierte und gut vorbereitete Kandidaten, die das oben erwähnte Interesse am Unternehmen zeigen und der Position entsprechend angemessen gekleidet erscheinen. Einen guten Eindruck macht es auch, wenn der Bewerber Papier und Stift dabei hat und sich relevante Informationen notiert, die ihm in den möglichen nächsten Phasen des Interviews nützlich sein können. Dazu gehört es auch, Fragen für den Arbeitgeber parat zu haben.

  • Was darf während des Interviews nicht gemacht werden?

Man darf nicht lügen, denn Lügen sind schnell und einfach zu erkennen. Meine Lieblingsfrage an einen Kandidaten lautet: «Was motiviert Sie, an einem Montagmorgen aufzustehen»? Aus den Antworten auf solche und ähnliche Fragen lässt sich viel ablesen. Ich weise auch darauf hin, dass das sogenannte Overselling, d.h. sich völlig unangemessen zu verkaufen, nicht gut ankommt. Die Mentalität der Menschen hier zieht Bescheidenheit vor.

Personalvermittler erhalten am Montagabend die meisten Bewerbungen

  • Es wird oft erwähnt, dass Networking sehr wichtig ist, um einen Job zu finden.

Eine Empfehlung kann entscheidend sein. Für Leute, die von ausserhalb der Schweiz kommen, ist es jedoch schwierig, Kontakte zu knüpfen und sich in Geschäftskreisen zu bewegen. In diesem Fall können relevante Informationen über das Unternehmen in öffentlichen Gruppen der verschiedenen sozialen Netzwerke recherchiert werden. Aus diesem Grund ist ein gutes LinkedIn-Profil sehr wichtig. Ich rate den Leuten immer, die Netzwerke zu durchsuchen und wichtige Leute aus dem Unternehmen, für das sie arbeiten möchten, zu kontaktieren, sich vorzustellen, um Rat und Informationen zu bitten.

  • Mit welcher Ausbildung findet man am leichtesten Arbeit?

STEM (Science, Technology, Engineering and Mathematics) – also hier genauso wie anderswo auf der Welt. Jemandem, der keine Ausbildung in diesem Bereich hat, sage ich aber: Es ist nie zu spät. Auch Online-Bildung von Instituten wie Udemy oder Coursera wird oft akzeptiert. Ausserdem gibt es ein eigenes Schulungszentrum innerhalb von Julius Bär. Allgemein werden Menschen bevorzugt, die kontinuierlich in ihre Ausbildung investieren. Flexibilität und Agilität sind Eigenschaften, die sehr geschätzt und entsprechend gefragt werden.

In Bereichen wie Marketing und Kommunikation herrscht auf dem Schweizer Markt viel Konkurrenz. Das bedeutet jedoch nicht, dass es hier unmöglich ist, einen Job zu finden. Ich empfehle allen, die versuchen wollen, in der Schweiz zu arbeiten, das auch zu tun. Gelingt ihnen das, dann lernen sie, wie eine echte Demokratie und eine echte Marktwirtschaft funktionieren. Vielleicht kehren sie ja eines Tages zurück und bringen das erworbene Wissen in die Heimat mit. Ich würde allerdings vorziehen, dass sich der Trend umkehrt und Leute aus der Schweiz und aus Europa zum Arbeiten nach Kroatien kommen.

  • Wodurch unterscheidet sich die kroatische von der schweizerischen Mentalität?

Oh, das zu erklären braucht Tage. Auf den Punkt gebracht würde ich es auf Flexibilität reduzieren. Sie zeigt sich zum Beispiel in der Bildung. Die Bildungssysteme sind unterschiedlich. Mir fiel auch auf, dass bei den Kroaten die Meinung vorherrscht, dass man nach dem Abitur oder dem Studium seinen Bildungsweg abgeschlossen hat und nichts mehr zu lernen braucht. Dann wird auf den passenden Job gewartet, den man sehr oft nicht bekommt.

Die Schweiz ist flexibler. Das Bildungssystem versucht, den Bedürfnissen des Marktes zu folgen. Bereits im Gymnasium ist es möglich, Berufserfahrung zu sammeln. Es ist möglich, diese Erfahrungen und Kenntnisse in anderen Berufen anzuwenden. Eine Weiterbildung ist möglich und doppelt nützlich. Die Flexibilität gibt den Menschen die Gewissheit, dass sie eine Stelle finden werden, und dass es möglich ist, den beruflichen Weg zu verändern. Dies verschafft den Arbeitgebern gleichzeitig einen Zustrom motivierter Arbeitskräfte. Ich meine, wie viele Kinder mit 14 oder 16 wissen schon, was sie für den Rest ihres Lebens tun werden?

  • Kann man sagen, dass die Schweiz deswegen erfolgreich ist?

Das ist einer der Gründe. Sie ist erfolgreich aufgrund von Politik, Neutralität und Stabilität, der Wirtschaftspolitik und der Investition in das menschliche Potenzial.

  • Sie haben erwähnt, dass Sie es vorzögen, wenn Menschen zum Arbeiten nach Kroatien gehen. Bedeutet das, dass Sie auch nach Kroatien ziehen möchten?

Das ist mein langfristiger Plan. Die Realisierung hängt natürlich auch von meiner zukünftigen Ehefrau ab. Ein solcher Schritt braucht auch viel Vorbereitung. Wahrscheinlich brauchen wir dafür noch ein paar Jahre. Unsere Herzen ziehen uns nach Kroatien. Die Potenziale von Kroatien und Herzegowina sind riesig, aber leider werden sie aufgrund verschiedener Variablen nicht genutzt. Wir würden uns sehr darüber freuen, die Erfahrungen, die wir in der Schweiz erworben haben, mit unseren Leuten in der Heimat zu teilen.

Interviewt von: Antonela Grill Zečević

Übersetzung ins Deutsche: Ivanka Jerković

Foto: Privatni arhiv

Quelle: Libra 52