Der Markt für philosophische Bücher in Kroatien ist nicht sonderlich gross. Dennoch fanden die Verleger, allen voran das Zagreber Verlagshaus Fraktura, in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, kroatische Übersetzungen bedeutender philosophischer Werke herauszugeben. Darunter sind gegenwärtig die zwei beliebtesten und bedeutendsten Bücher von Wolfram Eilenberger Zeit der Zauberer: Das grosse Jahrzehnt der Philosophie 1919–1929, für das ihm der prestigeträchtige Bayrischen Buchpreis verliehen wurde, und Feuer der Freiheit: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943); aber auch Nietzsche – Biographie seines Denkens von Rüdiger Safranski. Das Verlagshaus Mizantrop gab die Übersetzung der Broschüre Stress und Freiheit von Peter Sloterdijk heraus. All diesen Werken ist gemeinsam, dass sie von Ines Meštrović meisterhaft aus der deutschen Sprache übersetzt wurden.

Ines Meštrović ist eine angenehme und sprachgewandte Gesprächspartnerin. Sie wuchs in Deutschland zweisprachig auf, in Schwäbisch Gmünd.

Sie sagt: «Dort lebte auch Peter Ustinov, und aus dieser Gegend stammen auch berühmte Steinmetze, die viele Kirchen mit Skulpturen schmückten, nicht zuletzt auch die Kathedrale von Zagreb». Sie absolvierte das Klassische Gymnasium in Zagreb und studierte Germanistik und Kunstgeschichte. Sie arbeitete als Simultan- und Konferenzdolmetscherin und als Übersetzerin für verschiedene kroatische Ministerien und Amtsstellen, aber auch für Präsidenten und Regierungschefs. Sie kam mehrmals in die Schweiz, unter anderem auch mit Präsident Mesić und Präsidentin Grabar Kitarović. Sie erinnert sich noch an ihre erste Dienstreise in die Schweiz mit Präsident Mesić, wo sie Gäste des Widenmoos-Wirtschaftsclubs für Deutschschweizer Unternehmer unter der Leitung von Fredy Bühler waren. Von den zahlreichen ausländischen Politikern, denen sie begegnete, hinterliess der verstorbene Hans-Dietrich Genscher einen bleibenden Eindruck. Dieser besuchte Zagreb zwei Mal und erfuhr von ihr dort, dass die gepanzerten Fahrzeuge für Schutzpersonen im Polizeijargon nach ihm genšer genannt werden.

Sie übersetzt hauptsächlich von Deutsch ins Kroatische, hat aber auch zahlreiche Interviews von Miljenko Jergović und einige andere Texte ins Deutsche übersetzt.

«Bevor Kroatien EU-Mitglied wurde, übersetzte ich das erste Buch über die Europäische Union mit dem Titel Europa od A do Ž (Europa von A-Z). Hier war es wichtig, eine einheitliche Terminologie zu erarbeiten. Unter meinen Übersetzungsaufträgen gab es Urteile deutscher Verfassungsrichter, aber auch Kunstmonografien. Es wurden mir feste Stellen als ständige Übersetzerin in Den Haag und Brüssel angeboten. Doch da ging es vorwiegend um Gerichtsverhandlungen, mit düsteren, ermüdenden Themen, um Reden zweitklassiger Politiker und mit fixen Arbeitszeiten. Auch wenn solche Anstellungen ihre Vorzüge haben, konnte mich all das nicht ansprechen. Und wenn wir ehrlich sind, hatte ich ausserdem langsam genug von der Politik», sagt Frau Meštrović.

Sie fand ihre Berufung im Übersetzen von Büchern aus der deutschen in die kroatische Sprache. «Und zwar keine Belletristik – dafür braucht es noch viel mehr Fingerspitzengefühl. Ich wollte philosophische Texte übersetzen, damit ich dabei auch selbst etwas lernen kann. Allerdings ist die Übersetzung von philosophischen und Fachtexten ausgesprochen schwierig, das ist echte Schwerarbeit», erläutert Meštrović. «Es gab natürlich schon seit einiger Zeit kroatische Übersetzungen von Philosophen, doch mir fehlte dabei immer etwas. Ausserdem waren Übersetzungen aus einer bestimmten Ära oft marxistisch angehaucht.»

«Nietzsche mag ich von allen Philosophen am besten – er ist ein klassischer Philologe, der in Basel seine erste Professur bekam. Dort war er geschätzt, bis zur Veröffentlichung von Die Geburt der Tragödie. Darin beschreibt er zwei Pole, den dionysischen – rauschhaft, ausschweifend, und den apollinischen – vernünftig, nüchtern, rational. Auch sein Leben wickelte sich zwischen diesen zwei Extremen ab, er holte sich in einem Bordell die Syphilis. Er blieb unverstanden. Rüdiger Safranski schrieb das brillante Buch Nietzsche – Biographie seines Denkens, welches auf die Leseliste für das Philosophiestudium kam. Es gab einige ältere Übersetzungen von Nietzsches Texten, die es zu bereinigen und zu vereinheitlichen galt, auch mussten einige Fehler oder falsche Interpretationen, die hauptsächlich während des Nationalsozialismus entstanden waren, korrigiert werden. Damit ist vor allem Nietzsches Begriff Züchtung gemeint, den ich mit kultiviranje (Kultivierung) übersetzte. Also nicht als Aufzucht, was ich mehr auf das Vieh beziehen würde, sondern im Sinne von geistigem Wachstum, was für jeden Menschen erstrebenswert sein sollte.»

«Von den heute lebenden Autoren ist mir Sloterdijk am liebsten. Er ist für mich der grösste Gelehrte, politisch engagiert, und er hat eine wunderschöne Sprache. Bei ihm ist die Tradition deutscher Philosophen spürbar. Wenn es keinen Gott und keine Transzendenz gibt, ist alles grau. So heisst auch sein neustes Buch: Wer noch kein Grau gedacht hat. Eine Farbenlehre, welches ich gerade in Arbeit habe. Er ist der Einzige, der sich nicht darauf beschränkt, zu interpretieren, was bereits geschehen ist, sondern er blickt in die Zukunft und gibt Anleitungen für ein besseres Leben.»

Wie kamen Sie denn dazu, Eilenbergers Bücher zu übersetzen, fragten wir sie. «Zu ihm kam ich über Australien, das heisst, eigentlich kam er zu mir (lacht). Er hatte lang an Zeit der Zauberer gearbeitet, für das er ja auch mir dem Bayrischen Buchpreis gehert wurde, und suchte bedachtsam nach einem Übersetzer dafür. Da er sich damals in Australien aufhielt, kontaktierte er das dortige Goethe-Institut. Er wurde von dort an das Zagreber Goethe-Institut vermittelt, welches wiederum mich für die Übersetzung empfahl. Ich akzeptierte das sehr gern. Wichtig dabei ist, dass der Übersetzer nicht seinen eigenen Stil aufdrängt, sondern er muss den Stil des Autors übernehmen – manchmal schwer und trocken, manchmal leichter und lockerer, genau wie derjenige von Eilenberger.»

«Mein liebster schweizerischer Autor ist Max Frisch. Ich würde aber auch gerne etwas von Sibylle Berg übersetzen, denn von ihr gibt es noch gar nichts in kroatischer Sprache. Im Grossen und Ganzen, denke ich, ich habe Glück, dass ich Autoren übersetzen kann, die ich liebe, die für mich interessant sind und die eine Herausforderung darstellen», schliesst Meštrović.

Quelle: Libra 53

Interview: Vesna Polić Foglar

Übersetzung ins Deutsche: Ljiljanka Primorac