Im Museum Bickel in Walenstadt eröffnete am 5. März 2022 die Retrospektive zum 90. Geburtstag der Kunstschaffenden Dušanka Jablanović. Initiiert wurde die Ausstellung zur Ehrung der im kroatischen Slatina geborenen, in Walenstadt lebenden Künstlerin durch den Kulturkreis Walenstadt.

«Ich zeichnete schon in der Grundschule, zunächst ganz ohne Farbe. Farben interessierten mich lange Zeit nicht. ‘Die Opanken’ (Riemenschuhe) war meine erste spontane Farbzeichnung», erzählt Jablanović. «Nach dem Gymnasium in Virovitica studierte ich in Zagreb Chemie. 13 Jahre lang arbeitete ich in der Fabrik Rade Končar in Zagreb, im Bereich des Korrosionsschutzes von Materialien durch Lackieren, aber auch durch Galvanisieren, wie Versilbern oder Verzinken. «So bin ich es auch gewohnt, mit Säure zu arbeiten, z.B. für den Tiefdruck – Ätzradierung und Ähnliches. Davor haben Maler normalerweise Angst, ich war da etwas mutiger. Aber heute wird dies sowieso anders gemacht.»

In die Schweiz kam sie im Herbst 1969. «Mein Mann war erst in Deutschland, später zog er in die Schweiz. Als unser Sohn Boris sechs Jahre alt war, mussten wir entscheiden, wo er zur Schule gehen sollte. Mein Mann wollte nicht zurück nach Kroatien, also kamen Boris und ich in die Schweiz. Hier wurde Marko geboren. Mein Mann arbeitete in den Spitälern Winterthur und Uster, wir wohnten in Uster. Später erhielt er eine Stelle in einem Spital in Walenstadt.»

Nach dem Umzug in die Schweiz machte Jablanović ihre Leidenschaft zum Beruf. Zwischen 1973 und 1977 war sie oft in Zürich, z.B. an einer Kunstschule, wo sie verschiedene Kurse für Grafik und andere Techniken belegte. Gemalt wurde immer abends. In den 80er-Jahren ging sie von der realistischen Malerei zur Abstraktion über. Schnell beherrschte sie alle Techniken. «In den 90er-Jahren, als mein erster Sohn starb, machte ich meine besten Gemälde, in einem Atemzug, an einem Tag. Ich habe sie alle zutiefst erlebt. Das ist der Unterschied zur Grafik, wo man beim Druck Überraschungen erleben kann. Ich befasste mich auch mit Lithografie, in Richtung Abstraktion, dann mit Monotypie und Polymertechnik. All diese Verfahren sind ziemlich kompliziert. Später folgten Fotopolymer und Kopieren der Fotografien. Ich experimentierte viel, vielleicht noch immer unter dem Einfluss des Chemiestudiums».

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Dušanka Jablanović

Jablanović schuf ein umfassendes Oeuvre. «Seit der Jahrtausendwende war Stein für mich ein Thema, ich sah alles darin, wie zum Beispiel einen Regenbogen. Ich bemalte Steine auch und erzeugte Grafiken mit Stein. Später stieg ich auf grössere Bildformate um, dann auf Kombinationen aus Grafik und Bild – wie Collagen oder «Bild im Bild». Oder ich druckte Grafik auf Stoff. Ich probierte alles aus».

Der Öffentlichkeit bekannt wurde ihr Werk dank zahlreicher Ausstellungen in der Schweiz und in Kroatien, wo ihre Werke auch in Museumssammlungen Eingang fanden. 2011 wurde der dann bereits seit 50 Jahren in Walenstadt wirkenden Künstlerin das Anerkennungs-Diplom der Talgemeinschaft Sarganserland-Walensee für ihre Errungenschaften auf dem Gebiet der Grafik, Malerei und Zeichnung verliehen.

«Als die Corona-Pandemie kam, fühlte ich mich sehr allein. Dafür nahm ich im Garten plötzlich wahr, was ich vorher nicht gesehen hatte – kleine Blüten, einen Bach; ich begann, die Natur zu betrachten, entdeckte das Leben in Blumen und Wolken. Das half mir in dieser apokalyptischen Situation wirklich sehr. Ich schaute auch besser zu mir, schlafe jetzt viel, achte auf meine Ernährung – und kann besser arbeiten.»

Künstlerisch arbeitet jedoch Dušanka Jablanović nicht nur als Malerin. 2015 erschien ihr Buch «Begehren, Erfahrung, Schicksal»* auf Deutsch. 2018 wurde es als «Žudnja, iskustvo, sudbina» ins Kroatische übersetzt. «Der Übersetzer war Sead Muhamedagic, ein wunderbarer, blinder Mann, der alles memorierte, und der – im Gegensatz zu mir – sehr gläubig war. Dennoch konnten wir über alles sprechen, er hatte ein Gefühl für alle Dinge. Er verstarb letzten Sommer im Alter von 67 Jahren.»

Wie der Kunsthistoriker Sandi Paucic, welcher anlässlich der Vernissage die Laudatio hielt, hervorhob, schuf Jablanović im Lauf von sieben Jahrzehnten ein äusserst facettenreiches Werk. Es reicht von den frühen, naturalistischen Studien zu abstrakten Komposition der späteren Jahre. Thematisch setzte sich Dušanka Jablanović mit der menschlichen Figur, mit der Kunst der klassischen Moderne, aber auch mit den bedrückenden Themen von Krieg und Apokalypse auseinander. In der Motivik ihrer teils grossformatigen Malereien spiegeln sich sehr Persönliches aus dem Leben der Künstlerin, aber auch Ereignisse der Weltgeschichte wider. Stets beschäftigte sie sich mit dem Nachdenken über das menschliche Dasein an sich, in all seinen schönen und schwierigen Aspekten. Dušanka Jablanovićs Werk zeichnet sich immer durch den Glauben an das Humane und die positive Kraft des Schöpferischen aus.

‘Die Opanken’ (Riemenschuhe), Jablanovićs erste Farbzeichnung

Eine Konstante in ihrem Werk bildet ihre Vorliebe für die Druckgrafik und eine erstaunliche Experimentierfreude bis ins hohe Alter. Ein Grund dafür mag wohl ihr ursprünglicher Beruf gewesen sein: Als Ingenieurin der Chemie lag ihr der Umgang mit Chemikalien und verschiedensten Materialien, und so nutzte sie diese Erfahrung auch produktiv in ihrer Kunst. Dušanka Jablanović benützt die Grafik nicht primär als Vervielfältigungsmethode, sondern erkennt in ihr die Möglichkeit, Farben und Formen unter Einbezug des kontrollierten Zufalls zu neuartigen Kompositionen zu gestalten. Die Qualität von Jablanovićs druckgrafischem Oeuvre liegt darin, dass sie eine ganz eigenständige, ungegenständliche Sprache entwickelte, die aber – auch das typisch für sie – nie in einen festen Stil gezwängt wurde.

Quelle: Libra 51

Text und Übersetzung: Sandi Paucic und Vesna Polić Foglar

Foto: Vesna Polić Foglar

(Der Kunsthistoriker Sandi Paucic hält anlässlich der Vernissage die Laudatio)