Aus der Begebenheit der Schlacht am Morgarten 1315 ist ein im Nebel verschwommener Mythos der Schweizergeschichte entstanden. Dazu vorerst einige Tatsachen: Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern Europas, deren territoriale Entwicklung zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Wesentlichen abgeschlossen war. Es wäre aber ein Mythos zu behaupten, dass die Schweiz als mehrsprachiges Gebilde entstanden ist. Ihr Ursprung lag anfänglich in wenigen Gebirgstälern, die in einem Pass ihr Zentrum fanden.

Es ist unklar, wann Uri, Schwyz und Unterwalden einen ersten Landfriedensbund geschlossen haben. Zur Zeit des Interregnums (königsfreie Zeit) muss aber dieser Bund entstanden sein, zur Sicherung gemeinsamer Interessen nach dem Ausscheiden des obersten Rechtswahrers im Reich. Im Reich selber brach ein blutiger Krieg um die Königsherrschaft aus. 1298 wurde der Sieger dieses Kampfes, Albrecht von Habsburg, zum König gewählt. In diesen Jahrzehnten waren die heutigen Aargauer, Thurgauer, Waadtländer, Bündner usw. keine Eidgenossen, keine Schweizer. Viele gehörten als Untertanen zu Habsburg und mussten gegen die Waldstätte in den Kampf ziehen und verloren dabei auch ihr Leben. Im Bestreben der deutschen Territorialstaaten, ihr Gebiet zu erweitern, fürchteten die freien Bauern um ihre Unabhängigkeit. Sie sicherten sich im Bundesbrief gegenseitige Unterstützung zu und beharrten darauf, keine fremden Richter im Lande zu dulden. Trotzdem ist die Frage nach der Entstehung der Eidgenossenschaft zu einem Dauerbrenner der Historiker und Gelehrten geworden. Unbestritten ist aber die Tatsache, dass sich um 1300 aus einer Konfliktsituation mit Habsburg die Eidgenossenschaft gebildet hat.

Die genauen historischen Zusammenhänge können wir nur erahnen, da unsichere Überlieferungen aus späteren Chroniktexten bestehen und viele Urkunden aus jener Zeit fehlen. Am ehesten ist davon auszugehen, dass es darum ging, sich einer landesherrlichen Schirmherrschaft zu unterwerfen oder der Lokalgewalt zu vertrauen.

Was war nun der Anlass zum Krieg gegen Habsburg? Ein langjähriger Grenzstreit zwischen Schwyz und dem Kloster Einsiedeln, verursacht durch verstärkten Bevölkerungsdruck von Seiten von Schwyz führte zu gewaltsamer Landnahme und schliesslich zum Überfall auf das Kloster. Die Schirmvögte des Klosters waren die Habsburger, die nun den Klosterleuten Hilfe versprachen. Herzog Leopold sammelte sein Heer in Zug und zog dann dem Ägerisee entlang bis zum Steilhang des Morgartens, wo das aufgesplitterte Heer von einem Hagel von Steinen und Geröll empfangen wurde. Die Pferde scheuten und Panik brach aus. Wer sich nicht retten konnte, wurde erschlagen oder im See ertränkt. Das Debakel muss verlustreich gewesen sein. Man spricht von gegen 2000 Toten.

Die Chronisten berichten:

„Peter von Zitnau 1316 – …beinahe 2000 Streiter durch ein ganz wehrloses, niedriges Volk durch das Schwert und im Flusse vernichtet worden….“

„Johannes von Winterthur 1340 – … Auch hatten die Switer in ihren Händen gewisse Mordinstrumente, in ihrer Sprache Helnbarten genannt, sehr schreckliche Instrumente, mit welchen sie auch die bestbewehrten Gegner gleichsam wie mit einem Schermesser spalteten und in Stücke hieben…“

Auch auf die Chronikmaler jener Zeit dürfen wir uns nicht verlassen, haben die Maler doch den Eidgenossen Waffen in die Hand gedrückt und sie in Uniformen gekleidet, die erst Jahrzehnte später auf Schlachtfeldern aufgetaucht sind.

Herzog Leopold konnte dem Gemetzel entkommen. Doch war die Niederlage ein schwerer Rückschlag für Habsburg im Kampf um die Königswürde. Demgegenüber bildeten die Bauerngemeinschaften einen neuen Machtfaktor, der nun nicht mehr ausser Acht gelassen werden konnte.

(Ausgewählte Texte der Historiker Prof. Peter Stadler, Ulrich Im Hof, Werner Meyer, Peter Dürrenmatt, W. Oechsli, Marcel Beck)

Text: Walter Hunkeler

Übersetzung: Ljilja Čelar