Wenn ein Land wie die Schweiz im Verkehr zu versinken droht, reagieren die Politiker und das Volk ganz unterschiedlich. Vehement werden auch die möglichen Ursachen diskutiert und Lösungen angeboten. Ich erwähne einige: Schuld ist die grosse Zuwanderung der letzten Jahre, sie ist verantwortlich für die Überbauung unseres Mittellandes, die zunehmende Motorisierung und die Staus auf den Strassen, der Schwerverkehr soll auf die Schiene verlagert werden, der Schifffahrtsbinnenweg soll von Basel bis Koblenz erweitert werden, wenn nötig muss für weitere Wohnbauten Wald gerodet werden, eine zweite Gotthardröhre ist dringend nötig usw. Wie das alles unter einen Hut gebracht werden soll, weiss niemand. Trotzdem sind für unsere Zukunft kühne Visionen gefragt. Das ungebremste Wachstum ist für die Schweiz gefährlich. Es gibt dabei zu viele Verlierer.
Kühne Träume hatte die Eidgenossenschaft auch im 17. Jahrhundert. In Europa tobte der dreissigjährige Krieg. Auf dem Meer herrschte die Piraterie und auf unseren Strassen gab es Wegelagerer. Um den Handel zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer zu fördern, hatten Holländer und Berner die Idee, eine durchgehende Binnen-Wasserstrasse zu bauen. Der Weg führte vom Rhein zur Aare, über den Bieler- und Neuenburgersee. Es musste nur noch eine Wasserstrasse von Yverdon nach Lausanne gebaut werden. Diese Arbeit wurde in Angriff genommen, schlussendlich scheiterte aber der Traum eines „Transhelvetischen Kanals“.
Am Fusse des Mormont, einem Hügel, der die Wasserscheide zwischen Rhein und Rhone bildet, begannen die Probleme. Die Klus „Entreroches“ (zwischen Felsen), war erst nach acht Jahren Arbeit für 60 Meter Länge durchbrochen worden.
Das Geld für die letzte Strecke zum Genfersee ging aus. Es hätten noch für 59 Meter Höhendifferenz über 40 Schleusen gebaut werden müssen. Immerhin nutzte man die schon gebaute Wasserstrasse von Yverdon bis Entreroches noch 200 Jahre als lokalen Verkehrsweg. 1829 war dann Schluss. Einige Jahre später wurde der Bahntunnel für die Linie Morges-Yverdon erstellt. Der Mormont wurde ein zweites Mal durchstossen. Vielleicht wird die Idee eines neuen Kanals wieder einmal aufgenommen. Es bleiben die Erinnerungen an visionäre Menschen zurück, es bleiben die Ruinen des Canal d`Entreroches und das Hafenhaus am Ende der Klus – „au milieu du monde“.
Literatur
Jost auf der Maur, Weltwoche Nr.16 April 1988
P.+L. Pelet, le canal d’Entreroches, 1946
Waadtland Tourismus, der Kanal d’Entreroches; Google, Wikipedia
Text: Walter Hunkeler
Übersetzung: Ljilja Čelar