In der Schweiz ist die Immigration ein lebhaft diskutiertes Thema und die Migranten sind nicht allen Schweizern willkommen. Was den meisten nicht bewusst ist: die Schweiz ist ein Auswanderland.

Die Schweiz war nicht immer ein reiches Land. Vor dem zweiten Weltkrieg gab es mehr Schweizerinnen und Schweizer, die ihre Heimat verliessen, als Ausländer, die einwanderten. Die meisten Emigranten flohen vor der Armut. Bevölkerungswachstum und Hungersnöte zwangen im 19. Jhd. viele Schweizer zur Emigration. Es gab drei Hauptwellen der Auswanderung: 1816-1817, 1845-1855 und 1880- 1885. Zwischen 1850 und 1914 verliessen rund 400’000 Schweizer Bürger ihre Heimat. Dies bei einer Wohnbevölkerung von 2,5 bis 3,3 Millionen.

Neben den wirtschaftlichen Motiven flüchteten auch einige Schweizerinnen und Schweizer zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus religiösen Gründen. So sind zum Beispiel die Amischen in den USA Nachfahren von aus der Schweiz ausgewanderten Angehörigen dieser religiösen Bewegung. Der Gründer der Amischen Gemeinschaft war der Schweizer Jakob Ammann. Ammann trat 1693 aus der mennonitischen Gemeinschaft aus, weil die Mennoniten, seiner Ansicht nach, die Bibel nicht streng genug interpretierten. Bevor Ammann mit seinen Getreuen nach Amerika floh, versteckte er sich in den Schweizer Bergen.

Nicht alle Auslandschweizer hatten ihre Heimat aus Not verlassen: einige wurden wegen spezieller fachlicher Qualifikationen von ausländischen Regierungen eingeladen, oder sie suchten aus eigenem Antrieb den Kontakt zu anderen Ländern und Kulturen. Im 19. Jahrhundert zum Beispiel wanderten viele Käser nach Russland aus. So hat der Tilsiterkäse seinen Namen von der ostpreussischen Stadt Tilsit erhalten, in der er von einem Schweizer Käser kreiert wurde. Aber auch die Schweizer Söldner, die zwischen 1400 und 1848 ihren Lebensunterhalt als Söldner in fremden Armeen verdienten, gehören in diese Gruppe. Es war ihr kriegerisches Können, das an allen europäischen Höfen begehrt war.

Die neue alte Heimat

Die Auswanderer liessen sich in allen Kontinenten nieder, die meisten wählten jedoch Nordamerika zu ihrer neuen Heimat. Viele Emigranten aus den gleichen Kantonen wanderten gemeinsam aus. An einigen Orten in Nord- und Südamerika wurden sogar Schweizer Kolonien gegründet, die oft die Namen der Heimatorte von Ausgewanderten erhielten. In den USA gibt es 16 Städte und Dörfer, die den Namen ‚Lucerne‘ tragen. Insgesamt 5000 Städte, Dörfer und andere Orte in den USA haben einen schweizerischen Namen. Rund 1,2 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben Schweizer Wurzeln. Die Bevölkerungsdichte mit Schweizer Ursprung ist am höchsten in den Staaten Kalifornien, New York, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin.

Heutige Auslandschweizer

Heute muss kein Schweizer mehr aus Not oder religiösen Gründen auswandern, aber ihre Qualifikation ist nach wie vor begehrt. Heute leben die meisten Schweizerinnen und Schweizer, die ihre Heimat verlassen, nur vorübergehend im Ausland. Drei Fünftel der Auswanderinnen und Auswanderer leben in Europa. 2010 wurden rund 695’100 Schweizerinnen und Schweizer gezählt, die permanent oder vorübergehend im Ausland leben. Die beliebtesten Auswandererdestinationen sind Frankreich, Deutschland und noch immer die USA.

Quellen:

  • Delikatessenschweiz: Bündner Zuckerbäcker und Cafetiers: Historische Ausstellung
  • Schweizer Departement für auswärtige Angelegenheiten: Präsenz Schweiz
  • Swissinfo: „Das lebendige Gedächtnis der Schweiz-Amerikaner“

Text: Gloria Sartori Saadi

Übersetzung: Vesna Soko