Als 1798 die Berner Verteidiger in der Nähe von Bern einen unnützen Sieg über Napoleons Angriffstruppen errangen, während die Stadt selbst trotzdem in französische Hand geriet, bereiteten die Berner Mütter, Frauen und Schwestern als Trost für ihre Männer erstmals eine «Bärner Platte» zu – für die Männer, die auf dem Schlachtfeld zwar gewonnen, de facto aber dennoch verloren hatten. Auch Istrien, Triest und später Dalmatien fielen 1797, also fast zur selben Zeit, in Napoleons Hände. Doch dort war die «Jota» bereits Teil des gastronomischen Alltags. Die Vorbereitungs-Arbeiten für die beiden Rezepte verlaufen ähnlich, der Unterschied liegt im Fleisch und den Bohnen: Während bei der Jota meist geräucherte Schweine-Rippchen, geräucherter Speck und getrocknete Bohnen verwendet werden, sind es bei der Berner Platte Siedfleisch, roher Speck, Schinken, Gnagi (Eisbein), Zunge, eventuell Saucissons. Dazu werden gekochte Kartoffeln gereicht, jedoch keine braunen Bohnen, sondern gedörrte grüne Bohnenschoten.
Bei der Jota werden Rippli und Bohnen am Vorabend gewässert. Am nächsten Tag kocht man Sauerkraut, Rippli und Bohnen in Wasser, in getrennten Töpfen, und je nach Geschmack mit oder ohne Zwiebeln, Knoblauch und Rüben. Bohnen übrigens immer in ungesalzenem Wasser kochen! Sobald diese fast gar sind, werden das Wasser abgegossen und die Bohnen zum Rippli gegeben. Jetzt werden Lorbeerblätter, Salz, eventuell Paprikapulver und – für die istrische Version «Pescht» (siehe Kasten) dazugegeben. Ins Sauerkraut kommt kein Gewürz. Die Bohnen nie zusammen mit dem Sauerkraut kochen, denn so blieben die Bohnen hart. Ganz am Schluss wird das Sauerkraut gesiebt und mit den Bohnen zum Fleisch gegeben. Dann wird alles nur noch einmal kurz aufgekocht. Kartoffeln lassen sich mit dem Fleisch, aber auch separat kochen. Dalmatinisch/istrische Kartoffeln lösen sich mit der Zeit in der Suppe völlig auf und werden deshalb oft statt Mehl zum Eindicken gebraucht. Solche Kartoffeln findet man in der Schweiz kaum, also zerquetscht man sie nach dem Kochen und fügt sie der Suppe wieder zu.
Das Ganze dauert rund drei Stunden – mit dem Dampfkochtopf lässt sich die Dauer verkürzen! Zum Servieren kann man erst die dicke Sauerkrautsuppe auftragen, in einem zweiten Gang das aufgeschnittene Fleisch vom Rippli, zusammen mit den Kartoffeln. Dazu können Kren (Meerrettich) oder an der Sonne gesäuerte scharfe Schalotten gereicht werden.
Bouillon und Dörrbohnen
Die Berner Platte kann als simple Fertigkombination in Schweizer Geschäften gekauft werden (siehe Bild): Vakuumverpackt, etwas Saucisson, eine Wurst, etwas Speck, Sauerkraut – alles vorgekocht. Die Packung im Wasserbad aufwärmen, aufschneiden, und fertig.
Aber eigentlich ist auch die Berner Platte, wie die Jota, kein Eintopfgericht. In der selbstgemachten Version man lässt alle Zutaten separat im Wasser ziehen (nicht kochen!); erst das Fleisch und das Rippli, später werden die Würste dazugegeben. Typisch bernerisch wäre, statt des Westschweizer Saucisson eine Zungenwurst zu verwenden. Früher waren in der Zungenwurst «zwei bis drei Schweinszünglein» drin, heute sind es Schweinsschultern, heisst es im «Kulinarischen Erbe der Schweiz». Das rohe Sauerkraut dämpft man erst auf Zwiebeln in (Brat-)Butter an und kann es (muss aber nicht) mit Weisswein oder Apfelsaft ablöschen. Wacholderbeeren nicht vergessen! Nun legt man die Fleisch- und Wurststücke aufs Kraut, begiesst das Ganze mit Bouillon und lässt es eine halbe Stunde weiterköcheln.
Typisch – nicht nur bernerisch – sind die gedörrten Bohnen, die man im Laden dort kauft, wo es typisch schweizerische Produkte oder Ökoprodukte gibt. Diese werden, wie die getrockneten Bohnen, am Vorabend in Wasser eingeweicht. Dann kocht man sie eine halbe Stunde lang weich, und zusammen mit den Kartoffeln fertig.
Wer es besonders kräftig-deftig will, kann zusammen mit dem Fleisch auch noch Schweineohren und -schwänzchen mitkochen und das Sauerkraut durch saure Rüben ersetzen. Im Gasthof Kreuz in Wohlen (Bern) nimmt man die typische Berner Zungenwurst, amm«Hamme» (Schinken) und Markbein fürs Siedfleisch! Das Sauerkraut wird in Schweineschmalz im Ofen geschmort statt gekocht.
Die Westschweizer Version: «Plat de Berne»
Wie jeder Schweiz-Kenner mit Leichtigkeit erraten kann, haben die Westschweizer (Welschen, also französischsprachige Schweizer) auch für die Erfindung der Berner Platte ihre eigene Version, anders als die Deutschschweizer Berner. Im Zweiten Villmergerkrieg von 1712 machten sich die protestantischen Berner Herren mit ihren französischsprachigen Waadtländer Truppen, nachdem sie die Revolte der katholischen Untertanen der Zentralschweiz niedergeschlagen hatten, auf den Heimweg ins Waadtland. Auf halbem Weg, im Gasthaus «Bären» in Koppigen, versuchte der Französisch sprechende Berner Offizier, dem Koch klarzumachen, dass «les Bernois» (die Berner Truppen) «faim» (Hunger) hätten und grosse «plats» (Schüsseln) voller Essen erwarteten. Der Koch verstand aber kein Französisch, so wurde aus «faim» auf Deutsch «fein» (feines Essen), und aus «Plat de Berne» «Berner Platte». Der Koch schmiss alle seine Vorräte in die Töpfe und kreierte so die Berner Platte – ein Rezept, das bis heute existiert.
Text: Alexander Künzle
Übersetzung ins Kroatische: Vesna Polić Foglar
Quelle: Libra 52
Foto: Libra-Redaktoren Nikolina Cukrov und Alexander Künzle testen, ob das Rippli bereits gar ist