Wer sich als Vegetarier outet, fällt nicht nur in Kroatien, sondern auch in ganz Mittel- und Südosteuropa eher unangenehm auf. Erdreistet man sich gar dazu, Veganer zu sein, riskiert man in etlichen dortigen Gaststätten den Hungertod. Doch Länder, die sich als Tourismusziel gross ins Zeug legen wollen, müssten sich auch gastronomisch anpassen – der Rest der touristischen Welt kann das schon lang.

«Was? Sie isst weder Fleisch noch Fisch?», meinte meine Tante kürzlich in der Küche zur Grosstante, als ich sie mit einer Schweizer Freundin in Slawonien besuchte. «Dann koch‘ ihr doch ein Hühnersüppchen! So ein weisses Pouletbrüstchen ist ja doch kein richtiges Fleisch – und die Knochen nimmst du vorher raus!» – So tönte es noch vor wenigen Jahren nicht nur in Kroatien. Aber das Land möchte eine moderne und gastfreundliche Tourismusdestination werden.

Dann sollte man sich eben anpassen. Auch in den Schweizer Alpen standen den traditionellen Gastronomen die Haare zu Berge, als die asiatischen Gäste in den 80er-Jahren begannen, «Schokolade-Fondue» zu bestellen – und heute essen es die Schweizer selber…

Im klassischen Reiseland Italien lassen sich seit jeher zahlreiche Antipasti, Minestrone-Suppen, Pasta-, Polenta- und Risotto-Gerichte fleischlos oder gar vegan zubereiten – ohne dass dies gewollt wäre. Auch in ganz Südostasien, China und Indien sind zahlreiche Curry-, Reis- und andere Spezialitäten ohnehin vegan oder vegetarisch – ebenso ungewollt und wohl eher ressourcenbedingt. In Nordeuropa und Nordamerika sind alle jeweiligen Hype-Küchenarten vertreten – hier gewollt, bewusst und gewinnbringend. In Südamerika sind immerhin viele Bohnen- und Maisgerichte ohne Fleisch. Auch zwischen Istanbul und Kairo kochen Türken, Libanesen und Israelis problemlos Hummus-Kichererbsen, Tahini-Sesamöl, Linsensuppen und Cous-Cous-Salate vegan, ohne dass sie diesen Begriff bis vor kurzem überhaupt gekannt hätten. Seit man diese früher eher günstigen Arme-Leute-Speisen den Tourist/Innen als «100% vegan» anpreist, sind die Preise dafür in den Restaurants in die Höhe geschossen. Nur in Südosteuropa und Zentralasien hängt man noch an den traditionellen (Fleisch-) Rezepten, die allerdings für immer mehr Touristen ihren Reiz verlieren.

Kroato-/bosno-/hungaro-vegan

Snjezana Vaszary-Galusic und Thomas Vaszary* haben es kroato-/bosno-/hungaro-vegan ausprobiert – und es geht: Der obligate Salat aus hellgrünem Weisskohl-/Weisskabis, hier im Artikel einfach Kraut genannt, ohne den in Kroatien auf dem Tisch gar nichts geht, ist perfekt vegan, das aus ihm hergestellte Sauerkraut, ganz oder geschnitten, ebenfalls. Lamm- oder Rinds-Hackfleisch lässt sich durch Soja-Hack ersetzen, falls man nicht auf die Migros- oder Coop-Fertigprodukte «Vegan-Cevapcici» oder «Vegan-Burger» zurückgreift und diese einfach mit der Gabel zerdrückt. Cevapcici gibt es auf der Basis von Soja- und Weizenproteinen, Zwiebeln, Paprikaflocken etc. «Wichtig ist, dass man dieselben Gewürze verwendet wie bei der Fleischversion. Das ergibt dann den sehr ähnlichen Geschmack», sagt Snjezana Vaszary-Galusic. Auch Lepinje aus Dinkelmehl sind perfekt vegan/vegetarisch, solange sie nicht auf dem Grill in die Wurst-/Fett-Reste getunkt werden… und von den gängigen Hackfleisch-Cevapcici aus dem Südosteuropa-Laden kaum zu unterscheiden. – Auch Ajvar enthält kein Fleisch. Im Sopska-Hirtensalat lässt sich der weisse Käse durch Tofu-Würfel ersetzen, was auch nicht jeder bemerkt – der Rest bleibt gleich.

Sarma-Krautwickel vegan

Sauerkrautblätter einzeln vom Strunk lösen und den dicken Strunkteil herausschneiden, damit es sich besser rollen lässt, abtropfen. Soja-Gehacktes in sehr heisses Wasser geben, ziehen lassen, auspressen. Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer (ergibt weniger Blähungen!) klein hacken, dann in einer Pfanne mit Öl anziehen, Rundreis hinzugeben, ausgepresstes Soja-Hack, Salz, glutamatfreies Vegeta, süsses und scharfes Paprikapulver sowie Pfeffer einfügen. Mit heissem Wasser ablöschen. Kochen, bis das Wasser aufgesaugt ist.

Die flach ausgelegten Krautblätter mit der Masse füllen und einrollen, wie bei einer Hackfleisch-Sarma. In eine Auflaufform schichten, mit Tomatensauce und Wasser komplett bedecken, mit Vegeta und Lorbeerblättern würzen. Im vorgeheizten Backofen bei 190 Grad rund eine Stunde lang garen lassen, dann die Krautwickel wenden, eventuell heisses Wasser hinzugeben, mit Backpapier bedecken und weitere 20 Minuten im Ofen lassen. Will man die Krautwickel in mehreren Schichten im Topf auf dem Herd kochen, sollte am Schluss ein Teller umgekehrt auf die oberste Sarma-Schicht gelegt werden, damit die Krautwickel nicht hochschwimmen. Wer die Wickel nicht ohne einen Klacks Kajmak essen kann, nimmt als vegane Variante «Kokos Natur», eine Art Jogurt nature, und verfeinert ihn mit etwas Kokosmilch und Zitronensaft.

Ausgebreitete Sauerkraut-Blätter
Vegane Sarma-Füllung
Die Sauerkrautwickel in der Backform
Tomatensauce und Lorbeer über die Sauerkrautwickel

Balkan-Burger mit Kokos-Kajmak

Die veganen Cevapcici von Migros oder Coop basieren auf Soja- und Weizenproteinen, Raps- oder Sonnenblumenöl, Verdickungsmittel, Paprikaflocken, Streuwürze, Erbsenfasern, Chili und Gerstenmalz. Dank Soda-Bicarbonat braucht es kein Eigelb zum Binden, falls man Cevapcici aus Sojagranulat selbst machen will. Die Würstchen werden wie normale Cevapcici bei mittlerer Hitze in wenig Öl gebraten. – Wer die Cevapcici nicht ohne Lepinje (kleine Fladenbrote) essen kann, nehme dafür Dinkel- statt Weizenmehl. Weiter nach dem üblichen Rezept vorgehen, also einen feuchten, klebrigen Teig machen, und diesen Teig vom Rand her in die Mitte schlagen.

Auch Palatschinken lassen sich vegan herstellen: Für 6 Personen nehme man 0,75 Liter Hafermilch, 360 Gramm Dinkelmehl, einen halben Teelöffel Backpulver, 150 Milliliter Mineralwasser, etwas Salz und Öl. Dann geht man vor wie bei den normalen Palatschinken. Pflaumen- oder andere Marmelade zum Bestreichen ist ohnehin vegan.

*Thomas Vaszary ist Publizist, Dozent und Tourismusspezialist in der Zentralschweiz und Bern. Er absolvierte unter anderem die Schweizerische Hotelfachschule Luzern. Snjezana Vaszary stammt aus Gornji Zovik bei Brcko, ist von Beruf Masseurin und stellte ihre Ernährung aus gesundheitlichen Gründen um, wollte aber die Küche und die Rezepte ihrer Region nicht aufgeben.

Kichererbsen – vegan für Südosteuropa

Als ich ein kleiner Junge war, gab es im ehemaligen Jugoslawien Kichererbsen nur ganz unten im Süden des Landes am Kiosk zu kaufen, als «Leb Leb». Zuhause in Zagreb ass man so etwas nicht, am Meer erst recht nicht. Hingegen gab es in Frankreichs Süden – bei ähnlichem Klima – immer schon «Pois chiches» auf dem Teller. Und die Franzosen müssten es ja eigentlich wissen, gastronomisch – und führten die Kichererbsen in der Schweiz (und in Nordeuropa) ein. Ende der 90er-Jahre kam dann auch zumindest in Istrien auf den Märkten die Mode der Kichererbsen auf – diesmal aus Italien. Erst jetzt reiten Nahrungsmittelverarbeiter aus Slowenien auf der hypen Vegan-Welle mit. Argeta offeriert Kirchererbsen für den südosteuropäischen Gaumen: In der Ethno-Food-Ecke im Schweizer Coop findet sich «Hummus mit roter Paprika» mit etwas Sesam-Paste. Dieser wird in Italien ganz ohne Konservierungsstoffe hergestellt, wie man ganz klein gedruckt auf dem Konservenglas lesen kann.

Text: Alexander Künzle

Quelle: Libra