Dr. med. Jasminka Topolnjak ist Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Ihre besondere Vorliebe gilt der Neonatologie, die sich mit den speziellen Problemen von Früh- und kranken Neugeborenen befasst. Sie studierte In Zagreb, fing auch ihre Karriere dort an, arbeitete jedoch danach in Österreich und in der Schweiz. Sie ist offen und spontan, da ist es kein Wunder, dass sie schnell den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen findet.
Magst Du Dich uns kurz vorstellen?
Ich bin mit Leib und Seele Kinderärztin, mein Beruf ist gleichzeitig Berufung. Um ihr folgen zu können, musste ich Varazdin, meine wunderschöne Heimatstadt verlassen. Heute lebe ich in Spreitenbach und arbeite als Kinderärztin in einer Gemeinschaftspraxis.
Konntest Du Deinen Beruf in der Heimat nicht ausüben?
Bis zu einem gewissen Grad schon, aber ich wollte mehr. Ich studierte in Zagreb, machte 2002 dort mein Staatsexamen und bestand 2008 die Facharztprüfung als Kinderärztin. Ich arbeitete in der Frauenklinik in Varazdin erst als Assistenz-, später als Oberärztin mit Spezialgebiet Neonatologie. Die Arbeit mit neu- und frühgeborenen Babys fasziniert mich, ich wollte mich in diesem Bereich weiterbilden. Da es jedoch in Kroatien nur sehr wenige Ausbildungsplätze gibt und ich auch auf keinerlei Unterstützung hoffen durfte, war mir dies unmöglich. Mein Mann und ich gingen darauf nach Österreich. Ich war so hoch motiviert, dass ich innert dreier Monate Deutsch lernte – bis zehn Stunden am Tag! Das lohnte sich, ich konnte mich in Salzburg weiterbilden und mich auf Neonatologie spezialisieren. Diese fünf Jahre in Salzburg waren eine tolle Zeit, ich war Teil eines Super-Teams und konnte mich meiner Leidenschaft für die ganz Kleinen widmen.
Wie kam es, dass Du dann in die Schweiz weitergezogen bist?
Leider erkrankte ich schwer und konnte nach der Genesung keine Wochenend- und Nachtschichten mehr leisten. Eine Zeitlang wurde ich durch mein Team entlastet, aber auf die Dauer ging das nicht. Ich wollte vom Spital in eine Arztpraxis wechseln, fand aber nichts Passendes. So bewarb ich mich in der Schweiz.
Worin besteht deine Arbeit heute?
Ich musste mir meinen Patientenstamm von Grund auf neu aufbauen. Vielleicht war es Zufall, vielleicht kamen auch wegen meines Namens sehr viele Patienten aus Ex-Jugoslawien in meine Praxis. Kroaten zwar weniger, dafür vor allem Kosovaren – und das sind dankbare Patienten. Wenn einer zufrieden war, schickte er mir gleich die ganze Familie. Die Arbeit mit Kindern mag ich, denn sie ist immer eine Herausforderung – egal, ob es sich um eine ängstliche Dreijährige oder einen schüchternen Teenager handelt. Zu allen muss man den individuellen Zugang suchen und ihr Vertrauen gewinnen.
Vermisst Du die Neonatologie nicht?
Doch, das tue ich. Daher arbeitete ich eine Weile mit einem 50 %-Pensum im Stadtspital Triemli auf der Neonatologie. Aber das wurde mir zu viel, nun konzentriere ich mich eben auf die Praxis. Die geregelte Arbeitszeit ist besser für meine Gesundheit. Ich bin auch sehr froh, dass mich mein Mann zu 100 % unterstützt, denn er weiss, wie wichtig mir meine Arbeit ist.
Du bist nun seit 3 Jahren in der Schweiz. Fühlst Du Dich bereits heimisch?
Ja, das tue ich, aber natürlich vermisse ich meine Heimat. Ich tröste mich mit Speisen, die ich seit meiner Kindheit gewohnt bin, zum Beispiel Zvijezda-Mayonnaise. Ich habe hier die tollsten Marken ausprobiert, aber Zvijezda schmeckt mir am besten – das ist wohl nicht ganz objektiv, aber Geschmack ist eng mit Emotionen verknüpft. Von jeder Reise in die Heimat bringen wir Dalmatinischen Schinken und Pager Käse (Paški sir) mit. Über das Essen kann ich die Verbindung zu meiner Heimat und zu meiner Kultur aufrechterhalten; wir integrieren uns aber auch über das Essen in der Schweiz. Wir kauften uns ein Raclette-Öfeli und lieben auch ein herzhaftes Fondue. Je mehr es stinkt, desto besser. Mit Schweizern haben wir noch nicht viele Kontakte, aber wir arbeiten daran. Auf meinen Spaziergängen mit unserem Hund komme ich oft an einem Bauernhof vorbei, und der alte Bauer ist immer beschäftigt – wie übrigens viele Schweizer, das merkte ich bereits. Auf meinen Gruss reagierte er längere Zeit nicht, aber mittlerweile grüsst er zurück, sagt auch ein paar Worte. Geht doch!
Also wollt Ihr in der Schweiz Wurzeln schlagen?
Bis zu meiner Pensionierung werden wir sicherlich bleiben, das sind noch ungefähr 15 Jahre. Dann werden wir sehen, wie stark wir verwurzelt sind und darüber entscheiden, wo wir unser Rentenalter verbringen wollen. Ich fühle mich in der Schweiz wohl, und die Arbeitsweise in Spital und Praxis entspricht meinen Vorstellungen. Für das, was ich in Österreich und der Schweiz lernen durfte und noch lernen werde, bin ich dankbar.
Quelle: Libra 53
Interview geführt von: Gloria Sartori Saadi
Übersetzung ins Kroatische: Ana Števanja Macan