Der Wechsel von der Kuna zum Euro bringt einen weiteren Aspekt mit sich, nämlich die kroatische Wechselkurspolitik seit 1995. Und wer in der Schweiz von Wechselkursen spricht, denkt sofort an den starken Franken und dessen grosses Aufwertungsproblem, das die ganze Wirtschaft zum Zittern bringt. Hier zeigen sich auch Parallelen zu Kroatien – trotz des grossen Unterschieds zwischen den beiden Wirtschaften. Beide Währungen sind zwar stark und stabil, das aber aus unterschiedlichen Gründen: Die Kuna aus politischen Gründen, der Franken wegen des Finanzplatzes und dem «Safe Haven»-Effekt. In beiden Fällen schadet die Stärke der Währungen der jeweiligen Volkswirtschaft enorm.
Im Fall von Kroatien ist der Schaden noch viel grösser. Schweizer Touristen spüren das im Vergleich mit anderen Mittelmeer-Destinationen relativ hohe Preisniveau in Kroatien. Italiener wiederum gehen oft nach Slowenien einkaufen, weil es dort günstiger ist. Slowenien hat nach der Auflösung Jugoslawiens mit seiner «Zwischenwährung», dem Tolar, einen gewichtigen Teil seiner Altschulden weg-inflationiert, bevor der stabile Euro eingeführt wurde. Kroatien hingegen fixierte seine Kuna schon früh an die D-Mark, und danach an den Euro. Die Kuna blieb somit – künstlich – (zu) stark und stabil für Kroatiens Wirtschaft. Wer hat davon Vorteile? Und wer bezahlt die Rechnung dafür?
Passive Regionen – Erdbebeneffekt
Die Privat- und vor allem die Exportwirtschaft! Kroatiens tendiert auch wegen dieser rigiden Kuna-Politik in Richtung des «afrikanischen Modells»: Ein einziger «Rohstoff», das Meer, dominiert die Volkswirtschaft. Durch ihn werden die Tourismus-Milliarden quasi automatisch eingenommen. Damit lässt sich zwar überleben, aber nicht als produktive, sondern eher als «Rentner-Wirtschaft»: Man profitiert vom Meer, Jahr für Jahr, auch ohne grosses Dazutun, praktisch in Form einer Rente – ähnlich wie Afrika von seinen Rohstoffen. Von dort erhält der Staat ein Gros seiner Steuereinnahmen und finanziert damit seine Beamten und seine Klientel. Doch für Produzenten wird der Standort Kroatien zu teuer. So lohnt es sich für den Landwirt nicht einmal mehr, Paprika und Tomaten zu produzieren, da sie dank der künstlich hohen Kuna als Importe billiger zu haben sind. Auch für den Gewerbler zahlt es sich nicht mehr aus, etwas herzustellen, da die Einfuhrware meist günstiger ist. Die hohe inländische Steuerbelastung verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Auch in der Schweiz ist die Situation ähnlich, nur sind hier Bauern und Gewerbler protektionistisch besser geschützt, weil sie grösseren Einfluss auf die Politik haben.
Das Ausfuhrpotenzial Kroatiens ist durch die starke Kuna unter Druck geraten. Und besonders in den passiven Regionen, inklusive Slawonien und den kürzlich von den Erdbeben heimgesuchten Gegenden, gibt es seit vielen Jahren kaum mehr neue, sichere Arbeitsplätze. Die Entvölkerung dieser Gebiete wird sich auch nach der Erdbeben-Hilfe fortsetzen. Wo in den 50er-Jahren zumindest noch versucht wurde, Arbeitsplätze in der Schwerindustrie zu garantieren, gibt es jetzt nichts mehr. Nicht zuletzt deshalb stammt ein überwiegender Teil der Kroaten in der Schweiz weniger aus den städtischen Zentren von Zagreb oder Rijeka, sondern aus den wirtschaftlichen schwächeren Regionen.
Wo wurde in Kroatien vor allem investiert? In den Baubereich, also in Shopping Centers, in private Häuser und den Strassenbau. Aber ausgerechnet in diesen Shopping Centers wird Importware angeboten, inklusive die billigen ausländischen Paprika und Tomaten, wie jeder Käufer der Warendeklaration entnehmen kann. Mit der Verbetonierung der Adria-Küste kommen zwar viele (Zweit-)Hausbesitzer während dreier Monate des Jahres zu gutem Geld aus der Zimmer-Vermietung. Das ergibt ein Zusatz-Einkommen, aber sehr produktiv wirkt sich das auf die Wirtschaft nicht aus; Arbeitsplätze entstehen daraus ebenfalls nicht.
Subventionen zum Abfedern
Auch in der Schweiz wanderten noch bis in die 50er Jahre nicht die reichen Stadtzürcher oder Basler nach Wisconsin oder Illinois aus, sondern Bauernsöhne aus dem Emmental oder verarmte Tessiner. Doch dank des aufkommenden Bankenwesens, heute auch vermehrt des Pharmasektors, konnte sich die Schweiz den Luxus leisten, viele Steuergelder, Subventionen und Gelder aus dem kantonalen Finanzausgleich für diese armen Regionen abzuzweigen. Eine Schweizer Kuh erhält mehr Subventionen als ein Primarschüler… – Damit liess sich ein gewichtiger negativer Effekt des immer teurer werdenden Frankens abfedern, und man konnte «volksnahe», das heisst emotionale Abstimmungen über Pseudo-Prioritäten wie die Kuhhorn-Initiative durchführen. Kroatien kann sich solchen Luxus nicht leisten – besonders, weil sich im passiven Hinterland vermehrt Klientelismus und Korruption einnisten, wodurch ausländische Investoren zusätzlich davon abgehalten werden, dort Arbeitsplätze zu schaffen. Auch im Wallis würden sich Ausländer davor hüten, in den von den lokalen Eliten wohlbehüteten Weinbau oder in Aprikosen zu investieren. In Afrika mag es sich für einen Rohstoff-Oligarchen-Investor lohnen, dank der riesigen Renditen dieses Wirtschaftssektors ganze Diktatoren-Eliten durchzufüttern. Aber Gold, Silber, Diamanten oder Seltene Erden gibt es in Kroatiens armen Regionen eben keine.
Durch eine starke Währung werden also Importe künstlich verbilligt, was zu massenhaften Einfuhren führt – während die Produktivität der eigenen Wirtschaft vernachlässigt wird. Passive Regionen kommen auch in der Schweiz nicht voran: Der Kanton Bern, potenziell reich, aber seit langem defizitär, erhält jährlich rund eine Milliarde Franken aus dem kantonalen Ausgleichsfonds, hauptsächlich von Zürich und der Zentralschweiz, ohne aus dem Defizit herauszufinden. Was in der Schweiz der reiche Finanzplatz und die Pharma-Industrie, ist für Kroatien der Tourismus an der Adria.
Was heisst das nun für die Einführung des Euro in Kroatien? Ist er einmal eingeführt, entfällt für Kroatien die Möglichkeit, über die Wechselkurshöhe die Produktivität und Konkurrenzfähigkeit seiner Wirtschaft eigenständig zu beeinflussen. Dagegen kann die Schweiz, respektive ihre Nationalbank, obschon im Inland stark umstritten und international scheel betrachtet, den Franken stärken oder – vor allem – schwächen, indem sie zusätzliche Franken generiert. Das ist beim Euro nicht möglich, zumindest nicht für ein EU-Einzelland wie Kroatien. Denn dies geschieht zentral bei der Europäischen Zentralbank EZB in Frankfurt. Dafür kann Kroatien eher auf Entwicklungs-, Stabilisierungs- und andere Brüsseler Milliarden zurückgreifen, auf die es als EU- und Währungsunions-Mitglied Anrecht hat. Welche der beiden Möglichkeiten die bessere (gewesen) wäre, wird sich erst in Zukunft zeigen.